Buchtipp des Monats - Dezember 23

Für anspruchsvolle Leser und passend für einen trüben Wintertag

Ein Winter in Istanbul

Roman von Angelika Overath. - 1. Auflage, genehmigte Taschenbuchausgabe - München : btb, 2023. - 261 Seiten, Illustrationen

Aus dem Engadin kommt der Lehrer Cla nach Istanbul um dort seine Studien zu Nikolaus von Kues (1401-1464) zu Papier zu bringen. Durch ein Stipendium hat er die Möglichkeit seine Forschungen rund um die Konstantinopel-Mission, in der es um eine Annäherung der Religionen und Kulturen ging, vor Ort zu vertiefen. Zurück lässt er seine Verlobte Vera, die ihn sehr vermisst, während er die gemeinsame Zukunft noch überdenken möchte.

Schon kurz nach der Ankunft in Istanbul lernt Cla den vielseitig interessierten Kellner Baran kennen. Dieser hat griechisch-türkische Wurzeln und einige Jahre in Deutschland studiert. Er bietet sich an, dem Lehrer „sein“ Istanbul zu zeigen. So bekommt Cla Zutritt zu einer Sufi-Zeremonie, wird in ein traditionelles Hamam eingeladen und streift mit Baran durch die verborgenen Gassen und Unterwelten der Stadt. Die aktuelle politische Situation zeigt immer wieder Parallelen zu den mittelalterlichen Auseinandersetzungen. Die Nähe von christlicher Mystik und islamischem Sufismus, die multikulturellen Verflechtungen und der Spirit der Stadt der zwei Kontinente haben eine große Anziehungskraft. Nach und nach kommen die Männer sich näher und aus der Freundschaft entsteht eine feste Beziehung. Erst als Clas Verlobte Vera zu Besuch kommt merkt er, wie weit er sich bereits von seinem Alltag gelöst hat. Als sie ihm von ihrer Schwangerschaft erzählt, ist er geschockt. Er weiß nicht mehr weiter und steht nun zwischen zwei Menschen, die er nicht verlieren will.

Mit erzähltechnischer Meisterschaft lässt Angelika Overath mehrere Themenkreise und Zeitebenen ineinanderfließen, dass dem anspruchsvollen Leser das Herz aufgeht. Man möchte sofort nach Istanbul und die beschriebenen Orte selbst sehen. Sogar das Cover des Buches trifft den Inhalt perfekt. Nebenher erfährt man noch viel über Gott und die Welt, über philosophische Weltsichten früher und heute und wie die Zustände auf den spätmittelalterlichen Seefahrerschiffen waren. Aber am schönsten sind die Beschreibungen von Konstantinopel, Byzanz und Istanbul mit dem Wasser, den Fähren, den Menschen und dem Schnee, den es im Winter nicht nur im Engadin sondern auch in der Türkei gibt.

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